Text von Ralf Nestler
Zu sehen ist es nur sehr selten, aber es ist für unser Leben essenziell: Grundwasser versorgt Millionen Menschen in Deutschland mit Trinkwasser. Auch Industrie und Landwirtschaft nutzen es. Doch der Bodenschatz ist bedroht: Vielerorts sinkt der Grundwasserspiegel, und die Belastung mit Schadstoffen bereitet Probleme. Lernen Sie hier die besondere Ressource mit spannenden Grafiken und verblüffenden Fakten kennen – und was zu tun ist, um sie zu schützen.
Grundwasser ist alles Wasser, das im Untergrund enthalten ist. Würde man unter Deutschlands Oberfläche schauen, sähe man: Es gibt verschiedene Arten von Speichern.
Vor allem im Norden und entlang der Flüsse gibt es Porengrundwasserleiter. Der Name rührt von den Gesteinsporen her, das sind etwa die winzigen Hohlräume zwischen Sandkörnchen. Sie bilden ergiebige Grundwasserleiter.
In Gebieten mit dichterem Gestein dominieren Kluftgrundwasserleiter, bei Kalkstein spricht man auch von Karstgrundwasserleitern. Dort befindet sich das Nass vorrangig in kleinen Spalten.
Wo dichter Fels ist, vor allem in Gebirgen, kann kaum Wasser hindurchdringen. Fachleute sprechen daher von »Grundwassergeringleitern«. Diese Gebiete haben kaum nennenswerte Grundwasservorkommen.
Was ist Grundwasser?
Grundwasser bildet sich durch Niederschläge sowie Versickerung aus Oberflächengewässern. Rund ein Achtel davon wird als Grund- oder Quellwasser gewonnen, der Rest verbleibt im Untergrund oder strömt langsam in Richtung der Meere.
Aber die Ressource Grundwasser ist bedroht. Dabei herrschen regional unterschiedliche Gefahren vor.
Kapitel 1
Grundwasserverlust
In vielen Regionen sinkt der Grundwasserstand, besonders in weiten Teilen Ostdeutschlands. Lediglich Gebirge und flussnahe Landstriche bilden Ausnahmen.
Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) überwacht und modelliert die deutschlandweiten Grundwasserstände. Hier sind die modellierten Werte für Juli 2025 zu sehen. Braune Punkte stehen für Messstellen mit niedrigen Grundwasserständen im Vergleich zum Durchschnitt von 1991–2020, blaue Punkte stehen für Messstellen mit vergleichsweise hohen Grundwasserständen in diesem Zeitraum. Je dunkler die Punkte, desto weiter entfernt ist der Wert vom langjährigen Durchschnitt.
Zwei Ursachen dominieren. Erstens verändert der voranschreitende Klimawandel die Niederschlagsmuster: Wetterextreme nehmen zu. In Dürrephasen verdunstet viel Wasser, auch aus dem Boden – im Grundwasser kommt dann weniger Nass an. Starkregen wiederum versickert kaum und fließt stattdessen über die Gewässer ab.
Zweitens steigt der Wasserverbrauch in Ballungsgebieten, weil mehr Menschen dort hinziehen und die Industrie wächst.
Rund um Berlin ist die Lage besonders gravierend. Hier wird bereits überlegt, Wasser gezielt zu versickern, um die Ressourcen aufzufüllen. Vorbild sind Mittelmeeranrainer, die unter anderem gereinigtes Abwasser nutzen, um Grundwasserstände aufzufüllen. Dies erscheint hier zu Lande allerdings – noch – nicht mehrheitsfähig.
Kapitel 2
Steigendes Grundwasser
Steigendes Grundwasser kann beispielsweise in Bergbauregionen zum Problem werden und zeigt sich etwa, wenn Keller von unten nass werden. Der Grund: Während des Bergbaubetriebs werden Grundwasserstände mittels Pumpen niedrig gehalten, damit Tagebaue und Bergwerke nicht »absaufen«. Nach Betriebsende steigt das Wasser wieder. Die Lage verschärft sich, weil durch die Rohstoffförderung Material entnommen wurde und so die Oberfläche abgesackt ist, teils um mehrere Meter. Das Grundwasser kommt damit näher in Richtung Keller.
Zwei weitere Effekte können Grundwasser ansteigen lassen. Erstens: Alte Abwasserkanäle sind oft undicht, sie nehmen hoch stehendes Grundwasser auf und führen es ab. Werden sie erneuert, bleibt das Grundwasser draußen und steigt weiter an. Zweitens verursachen Extremwetter Probleme. So ließ zum Beispiel der Starkregen im Sommer 2023 den Rhein ansteigen. Sein Wasser drückte unterirdisch ins Ruhrgebiet und verhinderte, dass Wasser von dort abfloss – das Grundwasser stieg zeitweise beträchtlich an.
Was dagegen hilft: Ein vorübergehender Anstieg geht auch wieder vorbei. Bei dauerhaften Problemen helfen Drainagerohre und Brunnen, das Grundwasser zu regulieren. So etwa in der Mommbach-Niederung bei Voerde am Niederrhein, nordwestlich von Oberhausen.
Kapitel 3
Nitratbelastung
Rund ein Drittel des Grundwassers in Deutschland befindet sich nicht in einem »guten chemischen Zustand«, das heißt, bestimmte Schwellenwerte werden überschritten. Das geht meist auf Nitrat zurück. 22 Prozent der Grundwasserkörper haben zu hohe Gehalte von über 50 Milligramm pro Liter. Oberhalb dieser Grenze müssen Maßnahmen eingeleitet werden, um den Gehalt zu verringern. Denn das Grundwasser überschreitet dann den Nitratgrenzwert für Trinkwasser.
Nitrat im Trinkwasser ist für erwachsene Menschen nicht bedenklich. Zu hohe Gehalte können aber für Säuglinge gefährlich werden, weshalb EU-weit ein Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter gilt.
Ursache für den hohen Gehalt ist oft der Einsatz stickstoffhaltiger Dünger in der Landwirtschaft. Das sind neben Mineraldüngern tierische Ausscheidungen (Gülle) und Substrate aus Biogasanlagen, die auf Felder ausgebracht werden.
Neben Nitrat sind Belastungen durch Pflanzenschutzmittel und ihre Abbauprodukte für den schlechten chemischen Zustand in vielen Grundwasserkörpern in Deutschland verantwortlich.
Kapitel 4
Salzwasserintrusionen
Wo Grundwasser gefördert wird, strömt umliegendes Wasser in Richtung des Brunnens nach. An der Küste kann das Salzwasser sein – was unbedingt zu vermeiden ist, denn es macht die Ressource unbrauchbar. Vor allem auf den Nordseeinseln ist die Gefahr groß: Die Inseln ruhen auf Süßwasserlinsen, die vom Regen gefüllt werden und meist ausreichen, um die Bewohner zu versorgen. Mit dem Tourismus steigt aber der Wasserverbrauch, die Brunnen fördern mehr – und Salzwasserintrusionen drohen.
Um das zu verhindern, ermitteln Fachleute, wie weit sich die Grundwasserkörper ausdehnen und in welche Richtung das Wasser unterirdisch fließt. Forscher des Instituts für Angewandte Geophysik (LIAG) in Hannover haben eine Methode entwickelt, bei der die elektrische Leitfähigkeit im Untergrund täglich mit Elektroden bestimmt wird. Da Salzwasser Strom besser leitet als Süßwasser, lässt sich so frühzeitig erkennen, ob das Grundwasser gefährdet ist und die Förderung reduziert werden muss.
Das Salzwassermonitoringsystem des LIAG kommt beispielsweise auf der Nordseeinsel Spiekeroog zum Einsatz. Es dient als Frühwarnsystem und ist weltweit einzigartig, da es die Übergangszone zwischen Salz- und Süßwasser langfristig in Echtzeit überwachen kann. Auf dem Foto vom Mai 2022 wird die Elektrodenstrecke am Nordstrand von Spiekeroog ausgepackt. Dort dient das System der Grundlagenforschung.
Kapitel 5
Nachfrage und Angebot
Grundwasser bleibt nicht ewig in der Tiefe. Wie Oberflächengewässer strömt es talwärts, meist nur wenige Meter pro Woche. Anhand von chemischen Analysen lässt sich ermitteln, seit wann das einstige Regenwasser im Untergrund ist. In der Regel verweilt es einige Jahre bis Jahrzehnte dort, ehe es wieder gefördert wird.
Dieses Grundwasser ist nicht die einzige Süßwasserressource für Bevölkerung, Industrie und Landwirtschaft. Auch Fluss- und Talsperrenwasser dienen dazu, den Bedarf zu decken. Grundwasser nimmt dabei rund 30 Prozent ein, das sind im Jahr etwa sechs Milliarden Kubikmeter. Verteilt auf die Fläche Deutschlands ergibt das eine zirka 16 Zentimeter dicke Wasserschicht, die jährlich entnommen wird – und wieder aufgefüllt werden muss, um ein Gleichgewicht zu erreichen.
Ralf Nestler ist studierter Geologe und arbeitet als Wissenschaftsjournalist nahe Berlin.